::: Gibt es das "richtige" Material?

Aus welchem Material ein guter Kicker gebaut werden soll, ist eine viel diskutierte Frage. Um nur zwei Hersteller mit ihren Materialien zu nennen: Leonhart baut seine Tische aus Tischlerplatte, Lehmacher verwendet Mitteldichte Faserplatte (MDF). Es gibt Spieler, die die größere Härte von Leonhart-Tischen nicht nur auf die etwas härteren Figuren, sondern auch auf diese Materialwahl zurückführen. Argumentiert wird damit, dass Holz eher dazu neige, Resonanzen und Erschütterungen aufzunehmen und weiter zu leiten. Ein "totes" Material wie MDF dagegen absorbiere Erschütterungen und lasse sich kaum in Schwingung versetzen, was "ruhigere", angenehmer und gutmütiger zu spielende Tische mache. Andere Spieler ziehen die sich in sehr direkter Rückmeldung äußernde "Härte" der Leonhart-Tische dem als "müde" oder "weich" empfundenen Spielgefühl der Lehmacher-Tische vor. Das Problematische an diesem "Glaubenskrieg" ist, dass sich die wahrgenommenen Unterschiede aus meiner Sicht gar nicht unbedingt einem einzigen Faktor zurechnen lassen. Tatsächlich sind die alten Leonhart-Figuren härter und direkter als die etwas weicheren Lehmacher-Figuren. Tatsächlich würde auch ich meine aus MDF bestehende no 2 als ruhiger und gutmütiger bezeichnen als das Buche-Leimholz-Projekt 1 - inzwischen. Denn tatsächlich kann ich mich noch gut an den Zeitpunkt erinnern, zu dem no 2 endlich fertig war. Ich weiß noch wie heute, dass die neuen Bälle auf dem unbespielten Spielfeld von no 2 rutschiger wirkten als die eingespielten Bälle auf dem Buche-Tisch und dass ich mich erst an diesen neuen "ungewohnten" Tisch mit seinen anderen Geräuschen und seinem anderen Aussehen gewöhnen musste - der erste Eindruck war also genau umgekehrt zu dem heutigen Empfinden. Dies wird ein Grund für die Vehemenz vieler Stellungnahmen sein: Der gewohnte Tisch gilt vielen Spielern als die "Referenz". Jedes ungewohnte Spielgefühl auf einem anderen Tisch führt dazu, dass der betreffende Tisch ohne weiteres Nachfragen als "schlecht" abgelehnt wird. Hinzu kommt, dass manchmal die wahrgenommen Unterschiede ganz sicher auch zu Unrecht dem Tischmodell zugeschoben werden. Es ist mehr als unfair, den schlecht gepflegten Leonhart mit ausgeschlagenen und total verdreckten Lagern aus der Kneipe mit einem top-gepflegtem P4P aus dem Verein zu vergleichen. - Ich für meinen Teil genieße es, auf zwei verschiedenen, aber eben doch auch wieder ähnlichen Tischen spielen zu können - der Technik tut es auf jeden Fall gut, weil sie so davor bewahrt bleibt, auf eine ganz bestimmtes Materialauswahl festgelegt zu sein. Aus meiner Sicht sind daher die verschiedenen möglichen Materialien grundsätzlich alle für den Kickerbau verwendbar - wenn sich die daraus gebauten Tische auch jeweils etwas "anders" anfühlen mögen, macht sie das noch lange nicht zu "schlechten" Tischen. Im folgenden werden daher die regelmäßig verwendeten Materialien vorgestellt und ihre Vor- und Nachteile aufgeführt.

::: Material 1: MDF

"Mitteldichte Faserplatte" oder kurz MDF (eigentlich eine Abkürzung für "Medium Density Fibreboard") ist ein "totes" Material. Kleinste Holzfasern werden mit Leim und chemischen Zusatzstoffen (u. a. Formaldehyd) zu einer Werkplatte von sehr gleichmäßiger Struktur verarbeitet. Die normale Spanplatte wartet mit den gleichen Vor- und Nachteilen auf; nur ihre Kantenqualität ist mit der von MDF nicht zu vergleichen und erfordert weitere Arbeitsschritte wie z. B. das Verspachteln der Kanten. Die Vorteile von MDF:
  • preisgünstig
  • formstabil; anders als gewachsenes Holz entfaltet MDF kein "Eigenleben"
  • gute Kantenqualität
Die Nachteile von MDF:
  • muss relativ aufwendig beschichtet oder lackiert werden
  • Kanten neigen zum "Delaminieren", also zum Aufspalten in einzelne Schichten

::: Material 2: Multiplex

Bei Multiplex wird eine größere Anzahl gleich starker Holzschichten im Kreuzverbund miteinander verleimt. Multiplex wurde ursprünglich im Möbelbau als Trägermaterial für Beschichtungen entwickelt, wird aber inzwischen gerne auch "roh" eingesetzt (Kanten in "Multiplex-Optik"). Multiplex wird in verschiedenen Qualitäten angeboten - nur bei den "Möbelqualitäten" muss das Deckfurnier je nach Qualitätsstufe auf einer oder beiden Seiten frei von Flickstellen sein. Multiplex gibt es aus Birke oder Buche. Birke ist handelsüblicher (Baumarkt, dort aber wohl eher nicht in den ganz hohen Qualitätsstufen), Buche etwas härter. Vorteile von Multiplex:
  • formstabil
  • muss nicht unbedingt beschichtet werden, einfache (klare) Lackierung (auch der Kanten) möglich
Der Nachteil von Multiplex:
  • relativ teuer

::: Material 3: Leimholz

Bei Leimholz werden massive Bretter in Leisten zerschnitten und die einzelnen Leisten gegeneinander gedreht wieder miteinander verleimt. Damit soll das Arbeiten des gewachsenen Holzes bis zu einem gewissen Punkt ausgeglichen werden. Leimholz aus weichen Holzarten wie Fichte oder Kiefer ist für den Kickerbau ohne weitere Beschichtungen zu weich, Buche-Leimholz dagegen ist sehr hart. Vorteile von Leimholz:
  • schöne Oberflächenoptik
  • einfache Oberflächenbehandlung - (klare) Lackierung (auch der Kanten) möglich
  • bei Wahl einer entsprechenden Holzart sehr hart
Die Nachteile von Leimholz:
  • relativ teuer
  • arbeitet deutlich mehr als die anderen Materialien, je nach Qualität bis zur Rissbildung (die nicht immer zwingend stören muss)
  • muss "holzgerecht" verarbeitet werden - dazu mehr auf der Seite über die Verarbeitung des Materials

::: Material 4: Tischlerplatte

Die Tischlerplatte ist im Grunde ein Leimholz mit beidseitig aufgeleimtem etwas stärkeren Deckfurnier. Dieses Deckfurnier kann aus verschiedenen Materialien bestehen. Bei Kickertischen begegnen uns als Deckfurniere der Tischlerplatten Echtholz oder dünne Spanplatten ("Spandeck"). Die Tischlerplatte steht als Beschichtungsträger am Beginn des industriellen Möbelbaus. Da der Kern der Platte aus Nadelhölzern besteht, ist die Tischlerplatte - zumal mit Nadelholz-Deckfurnier - relativ weich und muss im Kickerbau unbedingt beschichtet werden. Auch wenn Leonhart und andere "klassische" Hersteller traditionell dieses Material verwenden, werden wir die Tischlerplatte im Selbstbau wohl am wenigsten antreffen, da sie gegenüber den anderen (und moderneren) Materialien keine Vorteile, aber durchaus einige Nachteile mit sich bringt. Nachteile von Tischlerplatte:
  • muss beschichtet werden, da relativ weich und Oberfläche und Kanten nicht sichtgeeignet
  • nicht so formstabil wie Multiplex oder MDF
  • nur in einer Richtung (Laufrichtung der Leisten) stark belastbar

::: Die Materialwahl: vor allem eine Geschmacksfrage!?

Für welches der Materialien wir uns entscheiden, ist also vor allem auch eine Geschmacksfrage, da ja immerhin alle Materialien im professionellen Kickerbau durchaus eingesetzt werden. Wir können uns also an der Wahl der Markenhersteller orientieren. Dann werden wir entweder MDF verwenden (wie Lehmacher, Fireball, Ullrich, Tornado, aus Kostengründen auch alle preisgünstigen Hersteller) oder - anstelle der Tischlerplatte - zu Multiplex greifen (Leonhart, Lettner, Deutscher Meister). Zur Kostenfrage: MDF ist zwar günstiger als Multiplex; dabei sollten wir aber bedenken, dass wir Multiplex einfach klar lackieren können, während MDF einer aufwändigeren Oberflächenbehandlung bedarf. Bei den vielleicht eineinhalb Quadratmetern Material, die wir für den Korpus benötigen, ist der Preisvorteil von MDF durch die Kosten der Oberflächenbehandlung sehr schnell wieder aufgefressen - das Kostenargument spricht daher tatsächlich nur sehr bedingt für MDF.